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pauline09
Guest
AW: Das braune Erbe der DDR
Danke für den Buchtipp, das bezieht sich auf drei Regionalstudien in Mecklenburg-Vorpommern, klingt interessant und einigermaßen aktuell. Ich bin nach wie vor recht oft in Mec-Pomm und kann in Bezug auf die Wendezeit aus eigener Anschauung nur beisteuern, wie ich es dort seit 1989/90 und kurz danach erlebt hab. "Sieg Heil"-Gegröle kam nicht selten vor, spätabends zogen Springelstiefel tragende Glatzen gern hordenweise durch Fußgängerzonen in Großstädten wie Rostock oder Schwerin. Das fand ich erschreckend, erklärte es mir zunächst nur mit forciertem Protestgehabe, dem Rückschwingen eines historischen Pendels (wenn man so will): Die elterliche Generation der Youngsters von damals bestand ja z.T. aus gediegenen Wendehälsen, die dem Staat immer treu gedient hatten und sich flugs den geänderten Verhältnissen anpassten und teils unter Verleugnung ihrer vormaligen Sympathien für das DDR-Regime anbiederten.
Ostdeutsche Kollegen (darunter ehemalige Stasi-Opfer wie auch Zuträger, wie sich herausstellte), sprachen überwiegend von "Glatzen" und vereinzelten Spinnern. Dass es nur Einzelne waren, war m.E. nicht so ganz der Fall, auch wenn die grölenden Horden das Alltagsbild zum Glück nicht beherrschten, vorwiegend abends marodierend um die Häuser zogen und sich sommers gern für Ausflüge an die Ostseeküste zusammenrotteten, wo sie u.a. Unmengen geleerter Alkoholdosen, Flaschen und abgefackelte oder mit rechtsextremen Parolen beschmierte Strandkörbe hinterließen.
Daneben gab es die hochmotivierte, sehr aktive Szene von Bürgerrechtlern sowie erstaunliche viele Jugendliche, die sich z.B. für Umweltschutzbelange und vorwiegend grüne, aber auch linke, sozialdemokratisch gefärbte Anliegen den Ar*** aufrissen, ganz klar auf der Gegenseite standen, nix mit Rechtsextremisten am Hut hatten und sich auch gegenüber dem SED-Staat und deren tragender Nachfolgepartei ganz entschieden abgrenzten. Sie demonstrierten massenhaft gegen den Irakkrieg, buhten Leute wie Volker Rühe aus und lachten nur über Kohls "blühende Landschaften". Das waren nach meinen Beobachtungen sehr viel mehr Leute.
Und Otto Normalverbraucher, also die große breite Masse, hatte eh anderes auf der Agenda. Da ging's nur um den Job und die Frage, ob es den Arbeitsplatz im ehemals volkseigenen Betrieb oder der LPG auch morgen noch geben würde - und was danach passiert. Veranstaltungen der PDS waren damals noch sehr häufig besucht, hatten weitaus mehr Zulauf als die anderer Parteien. Da wurde nix groß hinterfragt; die PDS-Funktionäre traten immer auf, als hätten sie Patentrezepte im Ärmel; das kam offenbar an. Und Wessis waren sowieso die Bösen. Sind sie ja für einige auch heute noch.
Es gibt dazu ein sehr empfehlenswertes Buch:
Hubertus Buchstein/Gudrun Heinrich (Hrsg.): Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Demokratie und Rechtsextremismus im ländlichen Raum.
Danke für den Buchtipp, das bezieht sich auf drei Regionalstudien in Mecklenburg-Vorpommern, klingt interessant und einigermaßen aktuell. Ich bin nach wie vor recht oft in Mec-Pomm und kann in Bezug auf die Wendezeit aus eigener Anschauung nur beisteuern, wie ich es dort seit 1989/90 und kurz danach erlebt hab. "Sieg Heil"-Gegröle kam nicht selten vor, spätabends zogen Springelstiefel tragende Glatzen gern hordenweise durch Fußgängerzonen in Großstädten wie Rostock oder Schwerin. Das fand ich erschreckend, erklärte es mir zunächst nur mit forciertem Protestgehabe, dem Rückschwingen eines historischen Pendels (wenn man so will): Die elterliche Generation der Youngsters von damals bestand ja z.T. aus gediegenen Wendehälsen, die dem Staat immer treu gedient hatten und sich flugs den geänderten Verhältnissen anpassten und teils unter Verleugnung ihrer vormaligen Sympathien für das DDR-Regime anbiederten.
Ostdeutsche Kollegen (darunter ehemalige Stasi-Opfer wie auch Zuträger, wie sich herausstellte), sprachen überwiegend von "Glatzen" und vereinzelten Spinnern. Dass es nur Einzelne waren, war m.E. nicht so ganz der Fall, auch wenn die grölenden Horden das Alltagsbild zum Glück nicht beherrschten, vorwiegend abends marodierend um die Häuser zogen und sich sommers gern für Ausflüge an die Ostseeküste zusammenrotteten, wo sie u.a. Unmengen geleerter Alkoholdosen, Flaschen und abgefackelte oder mit rechtsextremen Parolen beschmierte Strandkörbe hinterließen.
Daneben gab es die hochmotivierte, sehr aktive Szene von Bürgerrechtlern sowie erstaunliche viele Jugendliche, die sich z.B. für Umweltschutzbelange und vorwiegend grüne, aber auch linke, sozialdemokratisch gefärbte Anliegen den Ar*** aufrissen, ganz klar auf der Gegenseite standen, nix mit Rechtsextremisten am Hut hatten und sich auch gegenüber dem SED-Staat und deren tragender Nachfolgepartei ganz entschieden abgrenzten. Sie demonstrierten massenhaft gegen den Irakkrieg, buhten Leute wie Volker Rühe aus und lachten nur über Kohls "blühende Landschaften". Das waren nach meinen Beobachtungen sehr viel mehr Leute.
Und Otto Normalverbraucher, also die große breite Masse, hatte eh anderes auf der Agenda. Da ging's nur um den Job und die Frage, ob es den Arbeitsplatz im ehemals volkseigenen Betrieb oder der LPG auch morgen noch geben würde - und was danach passiert. Veranstaltungen der PDS waren damals noch sehr häufig besucht, hatten weitaus mehr Zulauf als die anderer Parteien. Da wurde nix groß hinterfragt; die PDS-Funktionäre traten immer auf, als hätten sie Patentrezepte im Ärmel; das kam offenbar an. Und Wessis waren sowieso die Bösen. Sind sie ja für einige auch heute noch.