Der Tabubruch

Mendelssohn

Well-Known Member
Ich finde die Sache mit dem Tabubruch einfach nur scheinheilig.
Als Frau Immerkanzlerin meinte, lasset die Kindlein zu mir kommen, hat sie dem Rechtsruck nicht nur in Deutschland auf die Erfolgsleiter geholfen, sondern in ganz EU.
Und die politischen Tricks hatten die Altparteien doch auch schon immer drauf.
Als Merkel meinte, die Fehler wurden schon vor 2015 gemacht, hat sie einen kleinen Spruch vergessen: 'mea culpa'!
Und der Brexit wurde 2016 ……………………..
mat abgekotzt.
Meinst du im Ernst, dass in Thüringen das Tabu gebrochen wurde, weil die Bundesrepublik 2015 Flüchtlingshilfe geleistet hat, wovon Thüringen mit seinen 1,7 Mill Wahlberechtigten, von denen knapp 65% gewählt haben, wohl nur am Rande etwas mitbekommen haben dürfte?
Dass Tabu wurde in Thüringen gebrochen, weil CDU und FDP mit ALLEN Mitteln Ramelow verhindern wollten, der weiß Gott keine schlechte Politik in Thüringen gemacht hat. Die Weimarer Klassik MUSSTE aus Erbschaftsgründen aus den Händen der SED endgültig befreit werden, koste es, was es wolle (AKK).
Mit den inzwischen wohnhaften und beschulten Flüchtlingen hatte der dritte Wahlgang des Thüringer Landtags überhaupt nichts zu tun, genausowenig wie mit der Naivität der "bürgerlichen" Parteien. Nur mit der Kriecherei in den Hintern der AfD, weil man ihre Stimmen braucht, um die Plattenbauten usw. zu privatiesieren und die historischen Innenstädte meistbietend zu verhökern. Türkische Imbiss-Stuben fallen als Mieter für das angedachte Preissegment selbstredend aus. Außerdem, wer mag schon Döner?
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Und da ich davon ausgehe, dass wir hier über den Status Quo und nicht über die RAF vor 30, 40 Jahren diskutieren, und da ich Lübcke im Hinterkopf habe, zum Beispiel, finde ich die Aussage einleuchtend.
Selbst wenn wir über Die RAF sprechen würden und sie in Vergleich etwa zum NSU setzen würden ...
In der RAF waren keine Soldaten, keine Polizisten, keine Geheimdienstler, gar keine Beamte tätig. Die Rechtsextremen sitzen in Parlamenten, in den Diensten, in Polizeiwachen, in Militärschreibstuben und wenn wir nicht aufpassen alsbald in Aufsichtsräten von Landesbanken und Landesunternehmen. Die Rechtsextremen nehmen den Staat nicht von unten - das sind nur Ablenkungsmanöver - sie nehmen ihn von oben. Das hat Thüringen gezeigt. Mit Genehmigung der Bürgerlichen. Das war der Tabubruch.
 

Zerd

Well-Known Member
Ich finde die Sache mit dem Tabubruch einfach nur scheinheilig.
Der Ansicht bin ich auch, allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang.

In den frühen Siebzigern hatte ich einen Deutsch-Lehrer, dessen Foto als junger SS-Offizier im Dritten Reich den Schüler wohl bekannt war, und der den um einige Minuten zu spät im Unterricht erschienenen Zerd schon einmal mit Kommentaren wie "wir wollen nicht, dass hier Verhältnisse wie bei den Türken aufkommen" begrüßt hat. Als mich vor etwa drei Jahren mein neuer Vermieter darauf hinwies, dass ich die speziell dafür angefertigten Leinentücher an der Glasfront meiner Wohnung doch bitte nur an den heissesten Tagen des Jahres aufhängen solle, hieß es wieder "es soll nicht der Eindruck entstehen, hier würde gehaust wie bei den Türken"!

Zwischen diesen beiden Aussagen liegen vier Jahrzehnte mit wechselnden Regierungen, in denen sich an der latenten Fremdenfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung nicht wirklich etwas geändert hat; solange keine Häuser brannten oder die durchs Land fegenden Mörderbanden gedeckt werden konnten, wurde sie befeuert durch die Politik, um dann wieder ganz verstört und traurig dreinzublicken und sich zu fragen, wie das nur passieren konnte. Der durch den Wirtschaftsliberalismus geförderte Sozialdarwinismus, zu dem es gehört, nach oben zu wedeln und nach unten zu bellen, hat dabei sein übrigens getan.

Geradezu heuchlerisch finde ich es dann, wenn sich im Jahr 2020 jemand hinstellt und behauptet, diese Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung sei darauf zurückzuführen:

Als Frau Immerkanzlerin meinte, lasset die Kindlein zu mir kommen, hat sie dem Rechtsruck nicht nur in Deutschland auf die Erfolgsleiter geholfen, sondern in ganz EU.

Denn tatsächlich war Frau Merkels Entscheidung damals eine der ganz wenigen Maßnahmen in den vergangenen Jahrzehnten, die diesem allgemeinen Trend entgegengesetzt war und genau in eine Zeit fiel, in der durch die patriotischen Europäer und ihre politischen Ableger dieser Hass gerade befeuert wurde. Sie hat selbst mich positiv überrascht, der ich seit Brandts Abgang nicht wirklich von einem Politiker je wieder überrascht worden bin.

Natürlich fühlte sich die Schar an latenten Faschisten und Fremdenfeinden in ihrem heimeligen Nest dadurch gestört und die Empörung war groß. Und diesmal war sie auch tatsächlich echt im Gegensatz zu den vielen Malen, in denen nur betröppelt dreingeguckt wurde, um anschließend genauso weiterzumachen wie gehabt. Aber dieser Konflikt war schon längst nötig; er hätte schon seit Jahrzehnten angegangen und gelöst werden müssen. Ich bin Frau Merkel sehr dankbar dafür, dass sie ihn endlich in die Mitte der Gesellschaft getragen hat und diese sich nun endgültig darauf festlegen muss, wie sie mittel- und langfristig mit ihren Mihigrus ebenso wie mit ihren fremdenfeindlichen Faschisten umgehen will.

In diesem Prozess befinden wir uns meiner Ansicht nach gerade und deshalb ist für mich der Vorgang in Thüringen auch kein Tabubruch, sondern eine weitere offene Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Lagern in dieser Gesellschaft, von denen nur eine die nächste Zukunft prägen kann. Das letzte, was ich mir wünsche würde, wäre, dass dieser Konflikt diesmal wieder mit einem halbgaren Kompromiss beigelegt wird, bis zuletzt bei entsprechender wirtschaftlicher Entwicklung der offene Faschismus landesweit gar nicht mehr abgewendet werden kann.
 

Msane

Well-Known Member
Um diesen gesellschaftlichen Prozess zu führen muss als erstes anerkannt werden, dass Kririk an Merkels Flüchtlingspolitik nicht rechts ist.
Nur weil Rechte auf diesen Zug aufspringen und sich die Themen zu eigen machen, ist es nicht rechts darüber zu reden.
Fakt ist die große Mehrheit der Wähler die mit Merkels Flüchtlingspolitik bzw. Asyl unzufrieden sind, wählt immer noch keine AfD.
Damit das so bleibt sollte der Umgang miteinander entsprechend sein.

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EnRetard

Well-Known Member
Um diesen gesellschaftlichen Prozess zu führen muss als erstes anerkannt werden, dass Kririk an Merkels Flüchtlingspolitik nicht rechts ist.
Definiere "rechts". Sie ist rassistisch, weil sie davon ausgeht, dass Eingeborene mehr wert sind als Neuankömmlinge. Und bösartig noch dazu, weil das Verständnis, die Empathie für Menschen fehlt, die kommen, um ihr Leben zu retten.
Fakt ist die große Mehrheit der Wähler die mit Merkels Flüchtlingspolitik bzw. Asyl unzufrieden sind,


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Falls es tatsächlich so ist, dass "die große Mehrheit" mit Merkels Flüchtlingspolitik unzufrieden ist, dann wäre zu ermitteln, was genau ihnen nicht passt. Sind es die handwerklichen Fehler - fehlende konsequente Identitätsermittlung zum Beispiel - oder lehnen sie "1,8 Millionen Araber" (Maaßen) im Land grundsätzlich ab. Dann wäre die Mehrheit rassistisch, was mich leider auch nicht überrraschen würde.
 

sommersonne

Well-Known Member
Falls es tatsächlich so ist, dass "die große Mehrheit" mit Merkels Flüchtlingspolitik unzufrieden ist, dann wäre zu ermitteln, was genau ihnen nicht passt. Sind es die handwerklichen Fehler - fehlende konsequente Identitätsermittlung zum Beispiel - oder lehnen sie "1,8 Millionen Araber" (Maaßen) im Land grundsätzlich ab. Dann wäre die Mehrheit rassistisch, was mich leider auch nicht überrraschen würde.
Es sind die Fehler die Regierung bei der Aufnahme und Eingliederung der Flüchtlinge unterlaufen sind. Die von dir beschriebene Identitätsfeststellug z.B. So ist Unzufriedenheit entstanden und der Eindruck entstanden das den Alteingesessenen noch mehr von dem ohnehin schon im Argen liegenden (z.B. Wohnungen, Schulbildung, Gesundheitswesen) weggenommen oder verschlechtert wird. Das hat wenig mit Arabern zu tun. Die gleichen Leute regen sich auch auf wenn Bulgaren, Polen oder Rumänen kommen.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Danke, @Zerd, Du wirfst mal ein neues Licht auf ein altes Argument. Dieser Tage habe ich noch gehört, der Brexit, das stand ja so 50/50, und ausschlaggebend seien schließlich dann die Bilder der Flüchtlingsfußmärsche durch Deutschland gewesen. Die Kontrolle über Zuwanderung wollten die Briten dann doch behalten, und nicht nach Brüssel deligieren.
 

EnRetard

Well-Known Member
Danke, @Zerd, Du wirfst mal ein neues Licht auf ein altes Argument. Dieser Tage habe ich noch gehört, der Brexit, das stand ja so 50/50, und ausschlaggebend seien schließlich dann die Bilder der Flüchtlingsfußmärsche durch Deutschland gewesen. Die Kontrolle über Zuwanderung wollten die Briten dann doch behalten, und nicht nach Brüssel deligieren.

Die Brexit-Propaganda vermischte EU-Einwanderung - wir erinnern uns an die Übergriffe gegen polnische Einwanderer in England - und Fluchtmigration. Letztere steuerte GB schon als EU-Mitglied, abgesehen von Leuten, denen es gelingt, sich in Calais auf LKWs zu schmuggeln. Was aber wenig mit dem Brexit zu tun hat. Das propagierte Hauptziel während der Kampagne war aber tatsächlich die Beendigung der Freizügigkeit für EU-Ausländer.
 

sommersonne

Well-Known Member
Die Frage ist, kritisieren sie organisatorische Mängel oder lehnen sie die Menschen selbst ab.
Ich würde sagen kritisieren organisatorische Mängel, im Osten kommt noch hinzu das sie befürchten nicht mehr die zu sein die am meisten Förderung nötig haben und bekommen.
Ein Teil lehnen aber die Menschen selbst ab, weil sie nicht begreifen das diese überhaupt nichts damit zu tun haben, sondern Sache des Staates ist.
 
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