Je mehr Zeit vergeht, umso mehr lerne ich den Lockdown vom Frühjahr schätzen. Er eröffnete so viele Einblicke, hatte so viele unbezahlbaren Vorzüge, dass es vermutlich noch Jahre und Jahrzehnte dauern wird, all diese zu untersuchen und auszuwerten.
Von Anfang an war klar, dass für die Verantwortlichen die Rückkehr zur sogenannten "Normalität" (ich nenne es menschenverachtenden umweltzerstörenden antidemokratischen aristokratisch-hedonistischen Schwachsinn) oberste Priorität hat und nur so ist auch das gegenwärtige Chaos wider dem gesunden Menschenverstand zu erklären, weil eben mit allen Mitteln etwas erhalten und bewahrt werden soll, was in weiten Teilen ebenso falsch wie unnötig und überflüssig war.
Aber jetzt gibt es eine Blaupause; einmalig und für ganz kurze Zeit haben wir gesehen, was tatsächlich möglich ist und wie wenig Unverzichtbares bleibt, wenn man alles Überflüssige vorübergehend einstellt. Eigentlich ein sehr schönes Anschauungsbeispiel dafür, wie CO2-Ausstoss nachhaltig gesenkt werden kann, wir den nachfolgenden Generationen eine einigermaßen intakte Welt hinterlassen könnten, wo die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten am größten und folglich am stärksten abzubauen sind, kurz: wie wir endlich zu etwas mehr Vernunft und Menschlichkeit und Nachhaltigkeit zurückkehren können.
Ich erwarte nicht, das sich kurzfristig etwas entscheidendes ändert. Dafür habe ich zu oft erlebt, wie unsere Gesellschaft Jahre bis Jahrzehnte benötigte, bis sich eigentlich naheliegende Erkenntnisse und Einblicke durchgesetzt haben. Und diesmal hängen auch unvorstellbar große Vermögen und Profite an der Verhinderung solcher Erkenntnisse, was sicher auch wieder Zeit kosten wird.
In diesem Zusammenhang fand ich übrigens auch die letzte Extra-3-Sendung interessant, in der es unter anderem auch darum ging, wie Soziale Netzwerke sich zwangsläufig zu sozialen Hetzwerken entwickeln und welche Rolle dabei vor allem auch die likes und Danke und ähnlich das Belohnungssystem ansprechende Funktionen spielen. Ich habe das in ganz ähnlicher Weise schon vor über zehn Jahren bei der Einführung der likes in diesem Forum zu diskutioeren versucht und bin wie so oft wieder nur auf taube Ohren gestossen. Der Aluhut wird auch bei diesem Thema nur eine Zeit lang wirken, bis sich der Trieb zur Selbsterhaltung in Form von etwas mehr Vernunft zumindest mehrheitlich wieder durchsetzen wird.
Apropos Infektionsketten: das ist doch auch ganz interessant, dass NSA, Google & Co. zwar Auskunft darüber geben könnten, welche Farbe die Unterhose eines Users (also Erdbewohners) hat, aber wenn es darum geht, demgegenüber recht einfach erscheinende Infektionsketten nachzuverfolgen, dann ziehen wir es lieber vor, SAP und Telekom mit ein paar Millionen Sondersubventionen zu versorgen, statt vielerorts bereits vorhandene und bewährte Technik einzusetzen. Es ist eben eine Welt der Zyniker: es ist ihnen völlig egal, ob am Tag 3 Leute sterben oder 300 durch Covid, sie werden erst dann aktiv werden, wenn mit dem Finger auf sie gezeigt werden würde. Und dann auch nur so lange, bis Sie keine Nachteile für sich mehr zu befürchten hätten.
Wie in Deutschland derzeit: über die erste Welle sind sie, durch Nachahmung des Positivbeispiels Wuhan, mit am besten gekommen in der ganzen Welt, und heute zehren sie eben von diesem Pfund, stehe da und sagen: "wir haben alles richtig gemacht (als wir es ganz anders gemacht haben), jetzt glaubt uns gefälligst auch, dass wir alles richtig machen, wenn wir es ganz anders angehen!"
Heute nachmittag bin ich etwas über eine Stunde durch unser 7000-Seelen-Städtchen spaziert und begegnete dabei drei Familien, die gerade vor ihrem Haus das Auto bepackt haben, offensichtlich, um ihre Urlaubsreise (bei uns haben heute die Herbstferien begonnen) anzutreten. Hoffen wir einfach, dass sie gesund losreisen und ebenso gesund wieder zuhause ankommen.