Entschleunigung von heute auf morgen

EnRetard

Well-Known Member
Lockdowns werden nur noch regional stattfinden. Ja, kann sein, daß so eine Region demnächst das ganze Ruhrgebiet ist. Und wenn der Lockdown rigoros durchgezogen wird, weniger von den Ordnungsämtern als von den Menschen, dann sollten die Zahlen aber doch nach drei Wochen wieder signifikant sinken. Anschließend werden die Leute die Situation hoffentlich sehr ernst nehmen und nicht gleich wieder den Weihnachtsmarkt stürmen. Ob das bis Ostern dann so bleibt, bleibt abzuwarten.


Regionale Lockdowns in dicht besiedelten Gegenden sind nicht praktikabel. Man müsste Straßensperren errichten und jeden kontrollieren.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Das funktioniert nur, wenn die Leute einsichtig sind und freiwillig mitziehen. Im März hat sich aber gezeigt, daß das mutmaßlich der Fallbsein wird. Nicht jeder, aber die allermeisten und genug.
 

EnRetard

Well-Known Member
Nein, diesmal nicht. Sollte jetzt ein Codon Sanitaire um das Rhein-Ruhr-Gebiet gelegt werden, werden sofort die Grenzen hinterfragt, die Inzidenzrate und die geografischen. Schau dir das mal auf der Karte an, es gibt nur noch einzelne Kreise/Städte unter 50. Setzt du die Grenze bei 100 an, müsstest du Remscheid und Solingen abriegeln, Wuppertal mit 87 (Quelle RKI) aber nicht. Köln würde abgeriegelt, außerdem die Kreise Aachen und Düren, der Erftkreis dazwischen aber nicht. Gelsenkirchen, Herne und Recklinghausen würden abgeriegelt, Unna (99) aber nicht. Das geht endlos so weiter.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Mach mir keine falschen Hoffnungen ;) Noch sind wir drüber (106/100.000). :(

Tut deiner Argumentation aber keinen Abbruch.

Die Diskussion ist übrigens an der deutsch-niederländischen Grenze, wo ich derzeit bei meiner Mutter bin, noch viel heftiger. Die Niederländer kommen ja ebensogerne bei uns einkaufen wie wir bei ihnen. Das nimmt allerdings jetzt noch zu, da in Venlo jetzt alles zu hat. Da kommen viele zu uns, nur um in aller Ruhe mal ein Eis zu essen, oder ins Restaurant.

Auf deutscher Seite liegen wir bei etwas über 30 Neuinfektionen auf 100.000. Auf niederländischer bei 500 (in Worten: fünfhundert).
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Es war schon immer, dass die Städte bei Epedemien abgeriegelt wurden und sich allenfalls eine Elite aufs unverseuchte Land in Schutzquarantäne zurückziehen konnte. Nur gibt gerade in Deutschland kaum noch Gegenden, in denen das einzige Tagesereignis das Postauto ist, und dort, wo es so ist, lassen sie die verseuchten Städter nicht rein.
Warum das Ruhrgebiet im Frühjahr davongekommen ist, nun aber vermutlich als größter Ballungsraum Europas vielleicht zum größten Corona-Hotspot der Republik und darüber hinaus wird, kann ich mir nur so erklären, dass es hier im späten Winter keine nennenswerte Reisebewegungen (Ski-Urlaub können sich hier die meisten wohl ebensowenig leisten wie einen zweiten Pauschaltrip) und dank des Lockdowns auch keine großen Familienfeiern. Hamm wurde nachweislich zu einem Hotspot, durch eine große Hochzeitsfeier, die in Dortmund ausgerichtet wurde. Nun haben wir den Salat und Infektionsketten können nicht mehr nachverfolgt werden.
 

Zerd

Well-Known Member
Je mehr Zeit vergeht, umso mehr lerne ich den Lockdown vom Frühjahr schätzen. Er eröffnete so viele Einblicke, hatte so viele unbezahlbaren Vorzüge, dass es vermutlich noch Jahre und Jahrzehnte dauern wird, all diese zu untersuchen und auszuwerten.

Von Anfang an war klar, dass für die Verantwortlichen die Rückkehr zur sogenannten "Normalität" (ich nenne es menschenverachtenden umweltzerstörenden antidemokratischen aristokratisch-hedonistischen Schwachsinn) oberste Priorität hat und nur so ist auch das gegenwärtige Chaos wider dem gesunden Menschenverstand zu erklären, weil eben mit allen Mitteln etwas erhalten und bewahrt werden soll, was in weiten Teilen ebenso falsch wie unnötig und überflüssig war.

Aber jetzt gibt es eine Blaupause; einmalig und für ganz kurze Zeit haben wir gesehen, was tatsächlich möglich ist und wie wenig Unverzichtbares bleibt, wenn man alles Überflüssige vorübergehend einstellt. Eigentlich ein sehr schönes Anschauungsbeispiel dafür, wie CO2-Ausstoss nachhaltig gesenkt werden kann, wir den nachfolgenden Generationen eine einigermaßen intakte Welt hinterlassen könnten, wo die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten am größten und folglich am stärksten abzubauen sind, kurz: wie wir endlich zu etwas mehr Vernunft und Menschlichkeit und Nachhaltigkeit zurückkehren können.

Ich erwarte nicht, das sich kurzfristig etwas entscheidendes ändert. Dafür habe ich zu oft erlebt, wie unsere Gesellschaft Jahre bis Jahrzehnte benötigte, bis sich eigentlich naheliegende Erkenntnisse und Einblicke durchgesetzt haben. Und diesmal hängen auch unvorstellbar große Vermögen und Profite an der Verhinderung solcher Erkenntnisse, was sicher auch wieder Zeit kosten wird.

In diesem Zusammenhang fand ich übrigens auch die letzte Extra-3-Sendung interessant, in der es unter anderem auch darum ging, wie Soziale Netzwerke sich zwangsläufig zu sozialen Hetzwerken entwickeln und welche Rolle dabei vor allem auch die likes und Danke und ähnlich das Belohnungssystem ansprechende Funktionen spielen. Ich habe das in ganz ähnlicher Weise schon vor über zehn Jahren bei der Einführung der likes in diesem Forum zu diskutioeren versucht und bin wie so oft wieder nur auf taube Ohren gestossen. Der Aluhut wird auch bei diesem Thema nur eine Zeit lang wirken, bis sich der Trieb zur Selbsterhaltung in Form von etwas mehr Vernunft zumindest mehrheitlich wieder durchsetzen wird.

Apropos Infektionsketten: das ist doch auch ganz interessant, dass NSA, Google & Co. zwar Auskunft darüber geben könnten, welche Farbe die Unterhose eines Users (also Erdbewohners) hat, aber wenn es darum geht, demgegenüber recht einfach erscheinende Infektionsketten nachzuverfolgen, dann ziehen wir es lieber vor, SAP und Telekom mit ein paar Millionen Sondersubventionen zu versorgen, statt vielerorts bereits vorhandene und bewährte Technik einzusetzen. Es ist eben eine Welt der Zyniker: es ist ihnen völlig egal, ob am Tag 3 Leute sterben oder 300 durch Covid, sie werden erst dann aktiv werden, wenn mit dem Finger auf sie gezeigt werden würde. Und dann auch nur so lange, bis Sie keine Nachteile für sich mehr zu befürchten hätten.

Wie in Deutschland derzeit: über die erste Welle sind sie, durch Nachahmung des Positivbeispiels Wuhan, mit am besten gekommen in der ganzen Welt, und heute zehren sie eben von diesem Pfund, stehe da und sagen: "wir haben alles richtig gemacht (als wir es ganz anders gemacht haben), jetzt glaubt uns gefälligst auch, dass wir alles richtig machen, wenn wir es ganz anders angehen!"

Heute nachmittag bin ich etwas über eine Stunde durch unser 7000-Seelen-Städtchen spaziert und begegnete dabei drei Familien, die gerade vor ihrem Haus das Auto bepackt haben, offensichtlich, um ihre Urlaubsreise (bei uns haben heute die Herbstferien begonnen) anzutreten. Hoffen wir einfach, dass sie gesund losreisen und ebenso gesund wieder zuhause ankommen.
 
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Alubehütet

Well-Known Member
Wie in Deutschland derzeit: über die erste Welle sind sie, durch Nachahmung des Positivbeispiels Wuhan, mit am besten gekommen in der ganzen Welt
Anderswo gab es weit harschere Ausgangssperren als hierzulande, etwa in Spanien. In Italien mußten ganze Fabriken schließen; bei uns gerade mal ein paar Schlachthöfe.

Wir hatten das Glück, trotz Ischgl und Heinsberg vergleichsweise spät dran zu sein. Und wir hatten das Glück, in Heinsberg einen beherzten Landrat zu haben, der, ohne auf Anweisung von oben zu warten, vor Ort das Richtige entschied. Und so eine Blaupause entwarf. Zugleich zeigte, was auch in Deutschland nicht unmöglich ist, sein könnte, passieren kann. Und also mutmaßlich würde. Und so kam es ja auch.

So hatten wir Karneval schon mit schlechtem Gewissen gefeiert. Als er in Venedig längst abgesagt war!

Und so kamen die Einschränkungen für Deutschland noch rechtzeitig. Für Sachsen-Anhalt und MeckPomm gar frühzeitig. Wir haben mit vergleichsweise wenig Einsatz relativ viel erreicht. Und ja, die Bevölkerung war sogar einsichtiger als die Herrschenden und hat schon vor Beginn der offiziellen Maßnahmen z.B. Masken getragen.
 
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