Kommunalwahlen am 31. März in der Türkei

Burebista

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Mich macht es auch traurig.

Die Ayasofya war das erste, was ich von Istanbul sah. Eine liebe alevitische Freundin, die dort lebte, war der Meinung, wir müssten unbedingt hin. Später, sagte ich, nein, beharrte sie: jetzt! Es war Frühherbst, und nach tagelangen heftigen Regenfällen kam das erste Mal wieder die Sonne durch.
Es war überwältigend!, das Licht, der Nachhall des Raumes, die ganze Architektur.
Ich habe mich sofort in den Bau verliebt, sofort, wusste genau, was meine Freundin daran faszinierte.
Und jedesmal, wenn ich an Istanbul dachte, Sehnsucht hatte, musste ich auch daran denken.

Die Freundin habe ich leider verloren.
Jetzt auch den Ort, diesen speziellen Ort.

-.-
Ich war das erste mal in Istanbul zu Silvester 2000 (zwischen 26. Dezember 2000-4. Januar 2001). Das erste, was ich damals besichtigte, war auch die Hagia Sophia. Bevor ich einen Hotel fand. War mit dem Rucksack auf dem Rücken.
War dann öfters dort mit Gruppen, sogar am Sonntag morgen, und fühlten uns dort sehr wohl, als ob wir an der Messe gewesen seien, obwohl es Museum war. Es war ein neutraler Raum und jeder konnte sich wohl fühlen und sich in seinen inneren Gedanken projizieren.
Am Silvester 2001 ging ich zu Fuß zum Taxim, den Berg rauf von der Galatabrücke. Anfang der Istiklal Str. gab es ein Paar christliche Freikirchler, welche das Neue Testament auf Türkisch den Leuten anboten. Die Leute nahmen die Bücher und rissen Blatt mit Blatt und warfen die Blätter auf die Straße. Alle machten das so, oder die meisten. Ich war so gedemütigt, ich musste die ganze Strecke auf Blätter des Neuen Testamentes laufen. Die Straße war wirklich weiß von Blättern aus dem Neuen Testament.
Und man wundert sich jetzt?...

PS. Ein halbes Jahr später war ich in Iran. Und bei der ersten Familie, wo ich ankam, wurde mir aus der Bibliothek das Neue Testament auf Persisch rausgeholt. Das war Zeichen der Gastfreundschaft und des Respektes. In einer islamischen Diktatur, wo iranischen Konvertiten die Todesstrafe vorgeschrieben ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

Alubehütet

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Die Leute nahmen die Bücher und rissen Blatt mit Blatt und warfen die Blätter auf die Straße.
Absolute Frechheit. Auch den Muslimen ist die Bibel Gottes Wort, eine Heilige Schrift, nur eben aus ihrer Sicht eine korrumpierte, korrupte, von Menschen verfälschte.

Waren das Muslime oder Säkularisierte, die Ähnliches auch mit dem Koran gemacht hätten?
 

Bintje

Well-Known Member
(...)
PS. Ein halbes Jahr später war ich in Iran. Und bei der ersten Familie, wo ich ankam, wurde mir aus der Bibliothek das Neue Testament auf Persisch rausgeholt. Das war Zeichen der Gastfreundschaft und des Respektes. In einer islamischen Diktatur, wo iranischen Konvertiten die Todesstrafe vorgeschrieben ist.

Ja, das war wirklich gastfreundlich und respektvoll. Rührend.

Absolute Frechheit. Auch den Muslimen ist die Bibel Gottes Wort, eine Heilige Schrift, nur eben aus ihrer Sicht eine korrumpierte, korrupte, von Menschen verfälschte.

Waren das Muslime oder Säkularisierte, die Ähnliches auch mit dem Koran gemacht hätten?

Rhetorische Frage, oder? o_O
 

Alubehütet

Well-Known Member
Allerdings zeigt das Ganze auch, wie bedrängt Erdogan inzwischen ist. Die großen Erzählungen von Demokratie, Freiheit und Wohlstand, die jahrelang maßgeblich zum Erfolg der AKP beigetragen haben, sind krachend gescheitert. Stattdessen zehrt Erdogan die populistischen Notgroschen auf. Einen hat er aufgebraucht, als er die türkische Armee und ihre islamistischen Hilfstruppen gegen die kurdisch kontrollierten Gebiete in Syrien marschieren ließ, einen anderen bei der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge. Nach der Hagia Sophia blieben in der Reserve: der Abriss des Gezi-Parks und die Wiedereinführung der Todesstrafe. Nichts davon wird den Niedergang aufhalten. Die Frage ist nicht, ob dieses Regime zugrunde geht, sondern was es an zivilisatorischen Errungenschaften der Türkischen Republik noch mit sich niederreißt.

Deniz Yücel, momentan noch barrierefrei zugänglich
 

Burebista

Well-Known Member
Waren das Muslime oder Säkularisierte, die Ähnliches auch mit dem Koran gemacht hätten?

Wirklich rhetorische Frage.
In Iran, in Qom, habe ich den Koran in dt. Übersetzung kaufen wollen. War mit jemand da (für mich zuständig...? Habe den jungen Mann im Internetcafé getroffen, wurde von ihm angesprochen und begleitete mich). Das Problem war, dass neben der dt. Übersetzung auch die arabische Fassung gedruckt war. Es gab an der Kasse eine Diskussion, ob ich den Koran überhaupt kaufen dürfe, wegen der arabischen Fassung. Zum Schluss durfte ich das Buch doch kaufen, aber der Begleiter hat mich gebeten, nie den Finger auf die arabische Fassung zu stellen, weil es unrein sei, dass jemand den Finger auf den Namen Gottes stellen dürfe und ich nicht wisse, wo Allah im Text stehe (hat nicht gesagt, dass ich als Nichtmuslim unrein sei; das war respektvoll formuliert). Ich habe versprochen, den arabischen Teil des Korans nicht anzufassen und so konnte ich das Buch kaufen. Und habe tatsächlich den arabische Teil nicht angefasst.
 

sommersonne

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Die Umwandlung ist wirklich absolut unnötig, auch wenn sie auf türkischem Gebiet liegt und die Türken schon damit machen können was sie wollen. Ein Erdogan hat kein Gespür dafür das es Dinge gibt die der ganzen Menschheit gehören.
Als ob es nicht genug Moscheen in Istanbul gäbe. Es ist reines Machtgehabe und der Versuch von Erdogan das türkische Volk hinter sich zu bringen, indem er es dem bösen Westen "zeigt". Sehr armselig.
 
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