Ich denke, dass bald wieder eine Kulturrevolution kommen wird und bin sehr gespannt darauf, wie sie sich darstellen und wohin sie uns wohl führen wird. Bislang haben sich solche Umbrüche vornehmlich in der Kunst, der Literatur und der Philosophie angekündigt, aber derzeit werden die ersten beiden Bereiche ebenso wie das Internet vom Kommerz dominiert, sodass in diesem seichten Gewimmel kaum so etwas wie ein tragfähiger Trend zu erkennen wäre; und von der Philosophie kann derzeit auch nicht viel Kreativität erwartet werden, da sie vornehmlich darum bemüht ist, schon längst zu Grabe getragene Metaerzählungen der Moderne krampfhaft wiederzubeleben.
Kein Zweifel besteht für mich dagegen, dass die gegenwärtig dominierende Erzählung, die große neoliberale Lüge, nach der jeder nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht sein muss, damit am Ende das optimale Resultat für die Gesamtheit erzielt wird, keine Zukunft mehr hat. Man betrachte nur die Trophäen unserer Krisengalerie allein der letzten zwei Jahrzehnte: Dotcom-Blase, Terrorkrise, Immobilienkrise, Bankenkrise, Finanzkrise, Euro-Krise, Griechenlandkrise, Kriege gar nicht erst mitgerechnet.
Im Grunde betreibt das neoliberale Weltbild nur noch Krisenmanagement. Und das tut sie auf eine ganz raffinierte Weise: während nämlich alle Kosten und Nachteile auf die Gesamtheit abgewälzt werden, die permanent mit Hinweis auf eben die Krisen Kürzungen der sozialen oder gesundheitlichen oder der Altersversorgung, des Einkommens oder der Bürgerrechte hinnehmen muss, gehen diejenigen, denen es ohnehin schon ganz gut geht, erstaunlicherweise immer als Profiteure aus den einzelnen Krisen hervor, denen es danach noch einmal besser geht als vorher schon.
Wenn man sich allein den Anstieg der Zahl der Milliardäre und Millionäre allein hier in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren ansieht (trotz all der Krisen), dann muss ganz nüchtern festgestellt werden, dass ganz still und heimlich durch die Hintertür der Geldadel und die Aristokratie wieder eingeführt wurden. Natürlich auf Kosten der Demokratie und der Bevölkerung, die sich schon lange nicht mehr sicher sein kann, dass ihre gewählten Volksvertreter tatsächlich das Volk und eben nicht irgendeine Lobbyistenvereinigung vertreten. Über zehn Millionen Menschen in diesem Land sind trotz teilweise Vollzeitjobs auf Transferleistungen angewiesen! Und diese Versklavung der Vielen auf Kosten der Rendite der Wenigen geht immer schön weiter.
Permanente Kontrolle, Leistungsdruck, Hartherzigkeit und Konsumzwang bestimmen unsere Realität. Die Menschen sind zwar zäh und hart im Nehmen, solange Du sie mit Brot und Spielen versorgst, aber ich bin mir dennoch ziemlich sicher, dass sie das nicht mehr allzu lange mitmachen werden. Zumal wir durch den Wachstumszwang und das aufstrebende China noch an ganz andere Grenzen stossen.
All das lässt für mich keinen Zweifel, dass es so nicht mehr lange weitergehen wird. Aber wie wird es weitergehen? Wo treibt das Schiff hin? Wie könnte die Welt in 50 Jahren aussehen? Irgendwelche Ideen?...