AW: Christian Wulffs Rede im Türkischen Parlament
Der Bundespräsident betreibt vor der türkischen Nationalversammlung Verharmlosung auf höchstem Niveau und redet der Rückkehr der Religion in die Politik das Wort. Seine Rede ist historisch unrichtig und stellt die säkulare Republik in Frage. Die Medien sehen nur die Oberfläche.
http://www.faz.net/s/Rub9B4326FE266...7A8B1583348B868D0B~ATpl~Ecommon~Scontent.html
der faz-artikel vom unbekannten verfasser ist für mich so dünn wie zwirn und liegt vom niveau noch weit unter der von ihm kritisierten rede des bundespräsidenten. ein bisschen polemik und krampfhafte pseudoargumente, die mitunter schlichtweg falschen beobachtungen oder schlußfolgerungen zugrunde liegen.
ich habe die rede auch live gesehen. wer ernsthaft behauptet, sie sei "unbetont und schnell abgelesen" gewesen (und das auch noch als erstes argument genannt), scheint um ein haar in der suppe sehr bemüht. christian wulff hat so langsam wie selten gesprochen, alleine schon wegen der übersetzung - das sollte wohl aufgefallen sein. behauptungen aufzustellen macht dinge nicht wahrer.
der satz "niemand muss und soll seine kulturelle identität aufgeben oder seine herkunft verleugnen" ist weder falsch, noch verharmlost er die aktuelle problematik der integration, wie behauptet. allein der schreiberling der faz kann scheinbar daraus keine analyse ableiten, die in der sache weiterhilft. der satz wird aber auch in weiteren diskussionen und in der lösung der sache bestand haben. die eigene herkunft zu verleugnen gehört nicht zum gelingen einer integration. differenzieren gehört bereits zum deutschunterricht der 9. klasse - mich wundert es, dass ein faz-journalist so wenig davon beherrscht.
wie sonst kann er ernsthaft meinen, wulff hätte die beiden aussagen "der islam gehört zweifelsfrei zu deutschland“ und „das christentum gehört zweifelsfrei zur türkei“ als zwei seiten der selben medaille gemeint. wenn es der eigenen argumentation dient, wird in deutschland gerne der statistische taschenrechner bemüht, der besagt, dass muslime doch "nur" 5 % der bevölkerung ausmachen und ihnen 95 der mehrheitsgesellschaft "entgegenstehen". der faz-artikel schreibt aber nun, dass muslime in deutschland ja "keine minderheit" seien und zur gesellschaft gehören wie alle anderen. nichts anderes hat wulff gesagt, was dem journalisten vielleicht auch bald auffallen wird. da die christen in der türkei diesen status aber noch nicht erreicht haben, hat der bundespräsident diesen folgesatz gebracht und somit nicht äpfel mit birnen verglichen, sondern auf dieses ungleichgewicht hingewiesen. so schwer war die rede doch nicht zu verstehen ...
und ja, es geht um religion, wenn wir hier von politik zwischen den beiden ländern sprechen und von der frage der integration. wie solle man diesen punkt außen vorlassen, wenn er zu einem großen teil das leben der hier ansässigen türkischstämmigen bevölkerung bestimmt?
ein bisschen haltloses gebrüll und wenig handfestes.