Da kommen bei mir Erinnerungen hoch. Die ich gar nicht mehr richtig sortieren kann.
Ich versuch mal im Rahmen meiner Möglichkeiten ein wenig Hilfestellung beim Sortieren zu leisten...
Aber eines ist klar. Diese Scheißbezahlung wird von den Studierten, den Ausgelernten dieses Landes mitgetragen.
Diese Aussage halte ich für richtig, aber irreführend. Denn tatsächlich wird die menschenfeindliche Entwicklung in unserem Land von allen erwachsenen Gesellschaftsschichten "mitgetragen", den Profiteuren dieser Entwicklung, weil sie selbstverständlich weiterhin davon profitieren wollen, den anderen, weil sie nicht fähig sind, diese Entwicklung zu ihrem Nachteil zu verhindern, allen Wählern, die die Politiker wählen, die die optimalen Rahmenbedingungen für diese Entwicklung schaffen, all denen, die keine geschellschaftlich akzeptable Alternative zu dieser Entwicklung auf die Beine bringen, den Einen, die davon überzeugt wurden, dass ihre Renten nicht mehr sicher seien, wenn die menschenfeindliche Entwicklung nicht mehr weitergeführt werden sollte, den Anderen, die sich lieber auf Gruppen konzentrieren, die unter dieser Entwicklung ebenso sehr leiden wie sie selbst, statt sich mit den eigentlichen Ursachen zu beschäftigen usw. usf.
Alle tragen sie diese Entwicklung auf die eine oder andere Weise und aus dem einen oder anderen Grund mit. Darum ist es irreführend, sich in dieser Aussage auf die Studierten zu beschränken.
Ich war männliche Putzefrau zur Aushilfe, bekam 3 DM.
Meines Erachtens war der Bedarf groß. aber dann kamen die Gastarbeiterinnen.
Der Markt war Versaut.
Kopftuchgeschwader machten Aushilfskräfte überflüssig.
Und meine damalige Freundin; sie fände es nicht in Ordnung, wenn man als Putze mehr verdient als sie mit einem gelernten Beruf.
Gastarbeiter haben dem Markt keine Chance gegeben.
He, virtuell könnten wir uns dabei fast begegnet sein: meine Mutter arbeitete bis zu ihrem vierten Kind 1974 in der Fabrik, legte dann zwischen 74 und 79 eine Pause bei der Fabrikarbeit ein, arbeitete aber noch ein paar Stunden am Tag mit einer Putzkolonne an einer Schule, wobei ich sie hin und wieder begeleitet und unterstützt habe. Sie trug zwar kein Kopftuch (das übrigens damals auch unter Türkinnen noch nicht so stark verbreitet war wie nach der Islamisierung, die in den Achtzigern eingesetzt ist), aber zweifellos gehörte ihre Putzkolonne zu der Sorte, die Du als Kopftuchgeschwader militarisierst.
Wie dem auch sei, diese Kopftuchgeschwader haben nicht den Markt versaut, wie Du behauptest, oder ihm gar keine Chance gegeben, sondern sie waren ein typischer Marktvorgang, ein völlig legitimer Teil des Marktes, bei dem das Angebot die Nachfrage bedingt.
Wir haben es hier also mit einem typischen Fall von Verschiebung zu tun, bei der eine Gruppe, die im Grunde unter denselben Mechanismen leidet, zum Feindbild erkoren wird, um von der eigentlichen Ursache dieses Mechanismus abzulenken. Das ist einfach falsch, denn wenn vom eigentlichen Problem abgelenkt wird, wird es nie richtig bekämpft oder verhindert, kann weiter leise vor sich hinköcheln und seine Dynamik weiterentwickeln, sodass es mit der Zeit immer schwieriger wird, gegenzusteuern.
Und den Deutschen die 'Gewissheit' dass sie (und ihre Kinder) was besseres sind.
Wallraffs Ali ganz unten. Ja und es gebar den Rassismus.
Und dann geschieht eben so etwas: wenn das eigentliche Problem lange genug verdrängt wird, dass es bald gar nicht mehr als Problem, sondern vielmehr als Teil der Normalität oder schlimmer noch als unvermeidliche Notwendigkeit angesehen wird, dann werden Scheingefechte natürlich umso heftiger geführt, die künstlichen Feindbilder umso heftiger aufgebauscht, das Irrationale siegt. Denn schließlich läuft etwas ganz offensichtlich verkehrt und wer muss daran schuld sein, wer war immer schon in solchen Fällen schuld: natürlich die, die den wenigsten Rückhalt in einer Gesellschaft haben, wie passend!
Irrationales und Unmoralisches bringt immer nur weiteres Irrationales und Unmoralisches hervor, oder vielleicht leichter verständlich: Scheisse bringt immer nur größere Scheisse hervor! Und nur so ist es verständlich, dass sich seit mehreren Jahrzehnten eine Entwicklung immer mehr verstärkt hat, die in dieser Zeit immer weniger Leuten Vorteile und immer mehr Leuten Nachteile bringt. Hauptsache wir haben unsere Ablenkungen und Feindbilder: die Türken, die Moslems, die Juden, die Araber, wahlweise die Russen, am chinesischen Feindbild wird gerade heftig gearbeitet. Nur die Schwarzafrikaner kommen derzeit einigermaßen gut weg; wie denn auch nicht: Kenia zahlt gerade 70% seines Bruttosozialprodukts allein für Zinsen ihrer Schulden, vornehmlich an den Westen. Solange die Leute drüben bleiben, ist das doch eine tolle Einnahmequelle, die Renten und Arbeitsplätze sichern könnte, wenn es zuletzt dann doch nicht in ganz wenigen Händen landen würde.
Lasst euch nicht ständig erzählen, dass die Welt kompliziert sei, denn im Grunde ist sie ganz einfach, wenn die Leute nur anständig und vernünftig miteinander umgehen. In den meisten Fällen dient Komplexität nur als Argument für irrationales Handeln. Ich glaube deshalb auch nicht an das Heilbringende einer bestimmten Religion oder Ideologie (wobei ich die Wissenschaft, so wie sie derzeit überwiegend betrieben wird, auch für eine Ideologie halte); jedes gesunde soziale Wesen (d.h. zu große Ohnmacht muss ebenso vermieden werden wie zu große Macht, weil beides gleichermaßen krank macht) hat ein Gespür dafür, was richtig und was falsch ist im Umgang miteinander. Solange man auf das Falsche verzichtet und sich auf das Richtige konzentriert, kann jedes politische und wirtschaftliche System genauso gut gelingen wie das andere. Davon bin ich überzeugt.