Entschleunigung von heute auf morgen

Alubehütet

Well-Known Member
Und weil @Mendelssohn Leiharbeit auch nur mit ausländischen Tönnies-Sklaven assoziiert: Andere Namen sind Dienstleistungen, Outsourcing. Früher hatten die Firmen alle ihr eigenes Reinigungspersonal. Pförtner und leichte Hausmeistertätigkeiten waren so genannte „Sozialjobs“ für die, die noch nicht kaputt genug waren für die Frühverrentung, aber für ihren ursprünglichen Posten.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Und weil @Mendelssohn Leiharbeit auch nur mit ausländischen Tönnies-Sklaven assoziiert:
Wie kommst du darauf? Nur ist es so, dass die Leiharbeit nicht für den deutschen Facharbeiter ausgedacht wurde, damit er im Fall von Arbeitslosigkeit, sich durch schlechter entlohnte Arbeit für einen regulären Job neu empfiehlt - wie es gerne auch von der SPD schön geredet wurde, sondern für die ausländischen Arbeitskräfte, die bei Bedarf angeworben, aber auch ohne "Spätlasten" für die Sozialsysteme nach Hause geschickt werden können. Dass dieses Sklaven- oder Wanderarbeitergeschäft nicht nur in der unter Arbeitern eher unbeliebten Fleischindustrie stark verbreitet ist, sondern auch in anderen konjunkturabhängigen Gewerben, in denen keine besonderen Vorkenntnisse notwendig sind wie bei zahlreichen Hilfstätigkeiten im Bau- und Hotelgewerbe, aber auch in Abrechnungs-und sonstigen Dienstleistungszentren, habe ich an keiner Stelle bestritten. Auch nicht, dass so mancher deutscher Facharbeiter in Leiharbeit gezwungen wurde. Aber er dürfte lange vor dem Rumänen vom Betrieb eine Festanstellung bekommen, wenn er vorher nicht schlapp macht, was je nach Alter und Gesundheit gerade in der Arbeiterklasse ein erhöhtes Risiko darstellt.
Die Arbeiterklasse hat von der Entschleunigung, dem Lockdown, nicht profitieren können. Ich profitiere immer noch von der Ruhe in der Stadt - und vom Homeoffice. Keine Autobahn.
 

alterali

Well-Known Member
Ich sag nur mal Gebäudereinigung. Genügend Deutsche bei. Alles Handarbeit, und alles geht über den Preis. Heißt, immer mehr qm² für's selbe Geld. Auf Dauer Knochenjob. Und da ist noch nicht Ende Gelände.
Da kommen bei mir Erinnerungen hoch. Die ich gar nicht mehr richtig sortieren kann.
Aber eines ist klar. Diese Scheißbezahlung wird von den Studierten, den Ausgelernten dieses Landes mitgetragen.
Ich war männliche Putzefrau zur Aushilfe, bekam 3 DM.
Meines Erachtens war der Bedarf groß. aber dann kamen die Gastarbeiterinnen.
Der Markt war Versaut.
Kopftuchgeschwader machten Aushilfskräfte überflüssig.
Und meine damalige Freundin; sie fände es nicht in Ordnung, wenn man als Putze mehr verdient als sie mit einem gelernten Beruf.
Gastarbeiter haben dem Markt keine Chance gegeben. Und den Deutschen die 'Gewissheit' dass sie (und ihre Kinder) was besseres sind.
Wallraffs Ali ganz unten. Ja und es gebar den Rassismus.
 

Zerd

Well-Known Member
Da kommen bei mir Erinnerungen hoch. Die ich gar nicht mehr richtig sortieren kann.

Ich versuch mal im Rahmen meiner Möglichkeiten ein wenig Hilfestellung beim Sortieren zu leisten...

Aber eines ist klar. Diese Scheißbezahlung wird von den Studierten, den Ausgelernten dieses Landes mitgetragen.
Diese Aussage halte ich für richtig, aber irreführend. Denn tatsächlich wird die menschenfeindliche Entwicklung in unserem Land von allen erwachsenen Gesellschaftsschichten "mitgetragen", den Profiteuren dieser Entwicklung, weil sie selbstverständlich weiterhin davon profitieren wollen, den anderen, weil sie nicht fähig sind, diese Entwicklung zu ihrem Nachteil zu verhindern, allen Wählern, die die Politiker wählen, die die optimalen Rahmenbedingungen für diese Entwicklung schaffen, all denen, die keine geschellschaftlich akzeptable Alternative zu dieser Entwicklung auf die Beine bringen, den Einen, die davon überzeugt wurden, dass ihre Renten nicht mehr sicher seien, wenn die menschenfeindliche Entwicklung nicht mehr weitergeführt werden sollte, den Anderen, die sich lieber auf Gruppen konzentrieren, die unter dieser Entwicklung ebenso sehr leiden wie sie selbst, statt sich mit den eigentlichen Ursachen zu beschäftigen usw. usf.

Alle tragen sie diese Entwicklung auf die eine oder andere Weise und aus dem einen oder anderen Grund mit. Darum ist es irreführend, sich in dieser Aussage auf die Studierten zu beschränken.
Ich war männliche Putzefrau zur Aushilfe, bekam 3 DM.
Meines Erachtens war der Bedarf groß. aber dann kamen die Gastarbeiterinnen.
Der Markt war Versaut.
Kopftuchgeschwader machten Aushilfskräfte überflüssig.
Und meine damalige Freundin; sie fände es nicht in Ordnung, wenn man als Putze mehr verdient als sie mit einem gelernten Beruf.
Gastarbeiter haben dem Markt keine Chance gegeben.


He, virtuell könnten wir uns dabei fast begegnet sein: meine Mutter arbeitete bis zu ihrem vierten Kind 1974 in der Fabrik, legte dann zwischen 74 und 79 eine Pause bei der Fabrikarbeit ein, arbeitete aber noch ein paar Stunden am Tag mit einer Putzkolonne an einer Schule, wobei ich sie hin und wieder begeleitet und unterstützt habe. Sie trug zwar kein Kopftuch (das übrigens damals auch unter Türkinnen noch nicht so stark verbreitet war wie nach der Islamisierung, die in den Achtzigern eingesetzt ist), aber zweifellos gehörte ihre Putzkolonne zu der Sorte, die Du als Kopftuchgeschwader militarisierst.

Wie dem auch sei, diese Kopftuchgeschwader haben nicht den Markt versaut, wie Du behauptest, oder ihm gar keine Chance gegeben, sondern sie waren ein typischer Marktvorgang, ein völlig legitimer Teil des Marktes, bei dem das Angebot die Nachfrage bedingt.

Wir haben es hier also mit einem typischen Fall von Verschiebung zu tun, bei der eine Gruppe, die im Grunde unter denselben Mechanismen leidet, zum Feindbild erkoren wird, um von der eigentlichen Ursache dieses Mechanismus abzulenken. Das ist einfach falsch, denn wenn vom eigentlichen Problem abgelenkt wird, wird es nie richtig bekämpft oder verhindert, kann weiter leise vor sich hinköcheln und seine Dynamik weiterentwickeln, sodass es mit der Zeit immer schwieriger wird, gegenzusteuern.
Und den Deutschen die 'Gewissheit' dass sie (und ihre Kinder) was besseres sind.
Wallraffs Ali ganz unten. Ja und es gebar den Rassismus.

Und dann geschieht eben so etwas: wenn das eigentliche Problem lange genug verdrängt wird, dass es bald gar nicht mehr als Problem, sondern vielmehr als Teil der Normalität oder schlimmer noch als unvermeidliche Notwendigkeit angesehen wird, dann werden Scheingefechte natürlich umso heftiger geführt, die künstlichen Feindbilder umso heftiger aufgebauscht, das Irrationale siegt. Denn schließlich läuft etwas ganz offensichtlich verkehrt und wer muss daran schuld sein, wer war immer schon in solchen Fällen schuld: natürlich die, die den wenigsten Rückhalt in einer Gesellschaft haben, wie passend!

Irrationales und Unmoralisches bringt immer nur weiteres Irrationales und Unmoralisches hervor, oder vielleicht leichter verständlich: Scheisse bringt immer nur größere Scheisse hervor! Und nur so ist es verständlich, dass sich seit mehreren Jahrzehnten eine Entwicklung immer mehr verstärkt hat, die in dieser Zeit immer weniger Leuten Vorteile und immer mehr Leuten Nachteile bringt. Hauptsache wir haben unsere Ablenkungen und Feindbilder: die Türken, die Moslems, die Juden, die Araber, wahlweise die Russen, am chinesischen Feindbild wird gerade heftig gearbeitet. Nur die Schwarzafrikaner kommen derzeit einigermaßen gut weg; wie denn auch nicht: Kenia zahlt gerade 70% seines Bruttosozialprodukts allein für Zinsen ihrer Schulden, vornehmlich an den Westen. Solange die Leute drüben bleiben, ist das doch eine tolle Einnahmequelle, die Renten und Arbeitsplätze sichern könnte, wenn es zuletzt dann doch nicht in ganz wenigen Händen landen würde.

Lasst euch nicht ständig erzählen, dass die Welt kompliziert sei, denn im Grunde ist sie ganz einfach, wenn die Leute nur anständig und vernünftig miteinander umgehen. In den meisten Fällen dient Komplexität nur als Argument für irrationales Handeln. Ich glaube deshalb auch nicht an das Heilbringende einer bestimmten Religion oder Ideologie (wobei ich die Wissenschaft, so wie sie derzeit überwiegend betrieben wird, auch für eine Ideologie halte); jedes gesunde soziale Wesen (d.h. zu große Ohnmacht muss ebenso vermieden werden wie zu große Macht, weil beides gleichermaßen krank macht) hat ein Gespür dafür, was richtig und was falsch ist im Umgang miteinander. Solange man auf das Falsche verzichtet und sich auf das Richtige konzentriert, kann jedes politische und wirtschaftliche System genauso gut gelingen wie das andere. Davon bin ich überzeugt.
 

sommersonne

Well-Known Member
Gastarbeiter haben dem Markt keine Chance gegeben. Und den Deutschen die 'Gewissheit' dass sie (und ihre Kinder) was besseres sind.
So kann man das nicht sehen. Diese Gastarbeiter kamen den Kapitalisten gerade recht um ihre Einkünfte zu steigern. Denen ist es doch völlig egal wen sie ausbeuten, Kopftuch oder keins, die Hauptsache ist ihr eigenes Leben wird luxeriöser. Ob ihre Angestellten mit dem Lohn auskommen ist doch denen egal.

Ich war ein Befürworter der Globalisierung. Doch seit vielen Jahren muß ich sehen das nur die Unternehmer davon profitiert haben. Es gab und gibt noch einen Überschuß an Arbeitskräften, die können jederzeit ausgetauscht und erpresst werden. Vor den Toren stehen schon die nächsten Anwärter auf den eigenen Arbeitsplatz.
Was ist dagegen schon die visafreie Urlaubsreise oder der wegfallende Geldumtausch, nur eine wegfallende Unbequemlichkeit.
 

alterali

Well-Known Member
Ich habe Gastarbeiter nie als Feindbild gesehen. Klar waren es die Kapitalisten, die sie ins Land geholt haben.
Im Gegenteil, sie waren eine Bereicherung in meinem Leben. Mit einem Spanier bin ich 3 Monate lang täglich in die Spinne gefahren. Dort habe ich mit einem Sizilianer und jemandem aus der Türkei zusammengearbeitet.
Und das Kopftuchgeschwader, die trugen die Kopftücher als Berufsbekleidung.

Aber was ich damals mitbekommen habe, das war die Marktmanipulation.

Mir war der Marktzugang von Anfang verwehrt:
Als ich bei Gegenbauer eine Lehre als Gebäudereiniger beginnen wollte.
Nein, nicht mit Abitur.
 
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Zerd

Well-Known Member
Auf ZDFinfo lief gerade eine etwas ältere Doku vom 06.06. dieses Jahres: Leben sticht Freiheit. Unter anderem kommt da auch Markus Gabriel zu Wort, der ja hier vor einiger Zeit schon erwähnt wurde.

Im wesentlichen geht es zwar um die Corona-Demos und Verschwörungstheorien, aber gegen Ende wird es dann auch interessanter, wenn angesprochen wird, dass grundlegende Probleme ja auch nach Corona nicht verschwunden sein werden. Und da sind sich die Leute dann ziemlich einig, was diese grundlegenden Probleme tatsächlich sind.

Aber dass hierbei die Corona-Krise eine Chance böte, stattdessen aber genau im Gegenteil zur Fortführung und Verschärfung dieser grundlegenden Probleme genutzt wird, fällt leider keinem ein zu erwähnen...
 
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