Marx war auch der Meinung, dass man über eine gerechte Verteilung der Güter, dem Grundproblem der bürgerlichen Gesellschaft, die nie reich genug sein würde, um Armut abzuschaffen (Hegel) oder nie so ausbalanciert sei, dass der Tisch für alle gedeckt sei (Malthus), beikommen könnte. Deshalb der große Entwurf einer kommunistischen Weltgesellschaft. Die Hoffnung war natürlich, dass über eine gerechte Verteilung auch der Tisch größer würde, an dem die Menschheit sitzt.
Marxens Ansatz war meines Erachtens zu theoretisch, zu rational, insgesamt zu unmenschlich, zu bürgerlich. Man kann ihm das nicht vorwerfen, schließlich fehlten ihm die 150 Jahre an zusätzlichen Erkenntnissen und Erfahrungen, auf die wir zugreifen können. So sollten wir mittlerweile eigentlich wissen und erkennen können, dass Marxens Kommunismus auf der einen Seite und der neoliberale Kapitalismus auf der anderen Seite gewiss nicht die einzigen beiden Möglichkeiten sind, Wirtschaft und Gesellschaft zu organisieren. Im Gegenteil, solche ganzheitlichen Visionen sind der gesellschaftlichen Entwicklung grundsätzlich eher abträglich als zuträglich.
Dies ist ab einem bestimmten Punkt, wenn die Wälder tot, der Boden ausgedörrt, das Wasser versiegt und die Luft kontaminiert ist, aber nicht mehr der Fall. Marx ging nie davon aus, dass die Masse der zu verteilenden Lebensmittel geringer werden könnte im Verhältnis zur ansteigenden Bevölkerung. An dem Punkt sind wir erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Anders gesagt: eine gerechtere Verteilung des Erdöls löst nicht das Problem der ausgeschöpften Erdölvorräte.
Eine andere Verteilung (ich spreche gar nicht von einer gerechteren, das ist nicht meine Intention gewesen) kann die angesprochenen Probleme vielleicht nicht auf Anhieb lösen, hätte aber die Entstehung der meisten dieser Probleme verhindern können, da die Motivation, ohne jegliche Rücksicht auf sonstige Effekte den Profit und das Wachstum anzustreben, einfach gemindert wäre. Wie angedeutet muss es vor allem darum gehen, Kooperation zu stärken, was damit auch die Verständigung auf vernünftige Ziele erleichtert. In welchem Zusammenhang geschehen denn die meisten Zerstörungen, meschen- und umweltfeindliche Entwicklungen, im wesentlichen doch aus der Konkurrenz und dem Wettbewerb, dem Profitstreben heraus. Wenn aber der Profit aufgrund geeigneter Verteilungsmechanismen gar nicht mehr so groß sein kann, dann machte dieser Irrsinn gar keinen Sinn mehr.
Im Grunde bieten die demokratischen Prinzipien eine wunderbare Grundlage für derartige Entwicklungen, das Prinzip der Gewaltenteilung etwa. Es geht hier im Prinzip darum, dass sich nirgendwo zu viel Macht akkumulieren darf. Auch in der Marktwirtschaft haben wir eigentlich dieses Prinzip, dass Monopole zu vermeiden sind, aber im Zeitalter von Microsoft, Google, Amazon und Facebook oder Heerscharen von Milliardären rund um die Welt sind diese Prinzipien das Papier nicht mehr wert, auf dem sie niedergeschrieben sind.
Ich denke, es müsste sich gar nicht so allzuviel verändern, um die ganze Entwicklung wieder in etwas vernüftigere Bahnen zu lenken, von einem Revolutionsgedanken bin ich weit entfernt. Schon eine Deckelung von Einkommen und Vermögen auf ein großzügiges aber venünftiges Mass und ihre Kopplung an Einkommen und Vermögen am anderen Ende des Spektrums hätte schon einen großen qualitativen Effekt. Stell Dir vor, unsere Großverdiener müssten auf die Straße gehen und für höhere Hartz4-Sätze demonstrieren, damit sie selbst auch ein wenig mehr verdienen dürfen, wäre das nicht ein wunderbares Bild von Kooperation und Solidarität. Aber dafür muss eben der politische Wille da sein und dieser muss auch noch international abgestimmt werden.
Solange es aber noch profitabel ist, Umwelt zu zerstören, Rohstoffe und Menschen auszubeuten, hundertmal mehr zu konsumieren als vielleicht trotz eines ausgefüllten Lebens nötig wäre, Forschungsergebnisse und Bildung anderen vorzuenthalten, solange wird es auch sicher noch weitergehen.