Zum Thema Parallelgesellschaften: die gibt es hier auch. Zum Beispiel ein nicht unbeträchtliches Rudel an Engländern und Amerikanern, 20 Jahre in Istanbul und kriegen mit Hängen und Würgen einen cay bestellt. Die sind in ihrem Expatkosmos voller Englischlehrer und Berufsgattinen, deren schwerreicher türkischer Mann mit ihnen daheim zum Glück Englisch spricht, und sehen Türken allenfalls mal beim Einkaufen oder wenn sie Bier in eine Bar am Taksim saufen gehen. Man merke: die Leute werden Expat genannt, nicht Migrant.
Es kommt niemand auf die Idee, ihnen mangelnde Integration vorzuwerfen, a) weil Vielvölkerstaat Türkei traditionell verschiedene Lebenskonzepte verträgt b) und das ist entscheidend: sie haben Geld. Sie kosten niemanden etwas.
Einen ähnlich abgeschlossenen Kosmos gibt es mitten in Deutschland, in Düsseldorf, das japanische Viertel. Die leben auch wie in Klein-Tokyo, aber niemand muckt auf, denn sie haben Geld und kosten niemanden etwas.
Ich denke, Integrationsdebatten werden noch nicht einmal wegen Andersartigkeit geführt sondern schlicht und einfach wegen Geld: jemand, der gar nicht ausgebildet ist, wird auf den Staat angewiesen sein. Kostet also Geld.
Ich in meinem unendlichen Idealismus folgere also haarscharf: Schule und Ausbildung sind der Schlüssel in eine Gesellschaft (dazu gehört auch die Sprachkompetenz), wenn man nicht mit viel Geld in der Tasche ansockt. Damit hört keine Diskriminierung auf? Natürlich nicht sofort, das ist ein Prozess über Jahre. Doch wenn eine Gruppe vereint auf Ziele wie gute Ausbildung hinarbeitet, wird die Kompetenz dieser Gruppe über kurz oder lang zur Selbstverständlichkeit. Italiener hatten auch nicht immer das Image, wie sie es heute haben. Aber liest irgendwo jemand von einer Italienerproblematik? Dabei hat "Luigi" irgendwann genau so viele Klischees aushalten müssen wie "Ali". Religion als Ausrede lasse ich da jetzt irgendwie nicht gelten, das ist mir zu einfach.
Kein Mensch verlangt Assimilation. Aber Integration ist für mich kein Geschenk, das ich erhalte, sondern etwas, um das ich mich selbst aktiv bemühen muss. Mir hat hier auch kein Mensch den roten Teppich ausgerollt.