Macron rudert inzwischen zwar zurück - ist euch aufgefallen, dass er nach dem zweiten Anschlag sehr moderater und staatsmännischer reagiert hat als noch nach dem ersten? - und verkündet auf Al jazira, dass ihr Feind der Islamismus sei und nicht der Islam, aber das scheint selbst bei seinen eigenen Leuten nicht so anzukommen.
Heute wurde im Lehrerzimmer einer baden-württembergischen Schule ein längerer Brief des Kultusministeriums verlesen, in dem ausführlich dargelegt wurde, warum der scheußliche Mord an Paty uns ebenso betrifft und darum empfohlen wurde, sich an der Gedenkminute für ihn um 11.15 Uhr zu beteiligen, und die Reaktion eines auf die Verfassung vereidigten Beamten, der an dieser Schule Englisch und Geschichte unterrichtet, nach dem Verlesen war ein lautes "Fuck Islam!". Dieser Kommentar blieb unwidersprochen.
Und dass ist diesem einfachen Lehrer auch tatsächlich kaum vorzuwerfen, denn schließlich ging Macron mit dem besten Beispiel voran und wollte diese Reaktion nach dem Mord an Paty ganz bewusst provozieren. In all seinen Reaktionen auf den ersten Anschlag ging es ihm nie darum, dass hier ein scheußliches Verbrechen an einem unschuldigen Menschen begangen wurde (wobei ihm sicher 99% aller Muslime zugestimmt hätten), sondern es ging ihm immer vor allem um das Motiv des Verbrechers und der Ermordete wurde als ein gefallener Soldat bei der Verteidigung unserer Werte als Märtyrer stilisiert.
Er war derjenige, der dieses abscheuliche Verbrechen für einen Kulturkampf zwischen der christlichen und der islamischen Welt instrumentalisiert hat, übrigens ganz im Sinne des Verbrechers! Das ist jedem in der islamischen Welt sauer, sehr sauer aufgestossen, der sich keine künstliche Eskalation des Konflikts wünscht.
Dass Erdogan sich zum Schutzpatron dieses ebenso militanten wie unmoralischen Islamismus macht, disqualifiziert ihn als Gesprächspartner und als Muslim.
Und Erdogan gehört nun einmal zu denjenigen, die solche Stimmungen in der Bevölkerung immer aufgreifen und zu ihrem Vorteil nutzen. In diesem Zusammenhang hat er nichts anderes getan als Macron auch, genauso wie der eine die Tat instrumentalisiert hat, hat der andere die ungeschickte plumpe Reaktion des französischen Präsidenten instrumentalisiert. Wenn das einen Erdogan als Gesprächspartner disqualifiziert, dann war ein Macron als solcher schon lange disqualifiziert.
Und schon wären wir wieder genau an dem Punkt, den sich die Kreuzzügler auf der einen Seite genauso wünschen wie die Terroristen auf der anderen Seite.
Ich versuche euch hier immer wieder darauf hinzuweisen, dass weder der islamistische Terrorismus, noch die NSU oder vergleichbare Verbrechen, noch die 20% für die rechtsextreme AfD in manchen Gegenden vom Himmel gefallen, sondern nur der sichtbare Teil des Eisbergs sind, der ganz bewusst jahrzehntelang aufgebaut wurde. Spätestens seit dem Untergang des Ostblocks wird die islamische Welt als neues Feindbild aufgebaut und permanent Konflikte in der Region geschürt.
Interessanterweise hat der Westen in den letzten Jahrzehnten am besten mit den fundamentalislamischen Kräften harmoniert und kooperiert: in Afghanistan wurden die Taliban erst von den Amis im Krieg gegen die Russen aufgebaut, bevor sie zehn Jahre später, erst nach 9/11, bekämpft wurden, ähnlich lief es bei Saddams Irak ab, der im Iran-Irak-Krieg zunächst gepimpt wurde, um später als Feindbild Nummer eins in mehreren Kriegen, die die Region auf Jahrzehnte destabilisiert haben, bekämpft zu werden, und mit Saudi-Arabien, dem fundamentalistischten islamischen Land, wurden immer beste Beziehungen gepflegt, während die moderateren Länder der islamischen Welt, wie etwa die Türkei, aber auch die nordafrikanischen Länder, so lange stiefmütterlich behandelt wurden, bis sich auch dort eine antiwestliche Stimmung nun ganz allmählich breit macht.
Leute, wenn ihr nicht zu denen gehört, die ganz konkret von diesem Konflikt profitieren, dann lasst bitte nicht zu, vor allem nicht bei euren eigenen Leuten, dass er weiter geschürt wird. Natürlich gibt es die Idioten auf beiden Seiten, die sich nur die Konfrontation wünschen, aber an die auf der anderen Seite kommen wir eben nicht heran, nicht so direkt wie an unsere eigenen Leute. Und wenn ihr das nicht tut, dann seid ihr eben alle zusammen AfD, Wegbereiter der Populisten von morgen. Und solange ihr es nicht tut, werde ich euch eben daran erinnern, wie faschistoid und einseitig eure "politisch korrekten" Haltungen oft sind!