Und dann wäre da der Text von Fatma Özdağlar im
Spiegel. Özdağlar soll als „studentische Beauftragte für Diversitätsförderung“ an der Berliner Charité arbeiten. Über ihre Arbeit als Beauftragte erfährt man im Text nichts, dafür aber einiges über ihre Kritik an Ataman und dem, was womöglich „Identitätspolitik“ sein soll. Der Text beginnt ironiefrei mit der Identität von Özdağlar. Sie beschreibt Diskriminierung und Sexismus in ihrem migrantischen, muslimischen Umfeld. Es ist erschütternd und beklemmend, was sie als junge Frau dort erlebt. Es ist das vielleicht einzige Textfragment unter den vielen Anti-Ataman-Texten, das einigermaßen differenziert schildert, was das Problem mit Ataman sein könnte. Könnte. Konjunktiv.
Der Text mündet in eine Verurteilung Atamans, weil sie Weiße als „Kartoffel“ bezeichnet habe. Und in der Feststellung, dass auch von Menschen mit Migrationshintergrund Diskriminierung und Rassismus ausgingen. Özdağlar wünscht sich eine Person, die auch den „politischen Islam“, „Clankriminalität“ und auch „Antisemitismus als klare Probleme thematisiert“. Der letzte Satz in ihrem Text ist ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Zwangsheirat junger Frauen.
Warum die Spiegel-Redaktion diesen Text veröffentlicht hat, bleibt ein Rätsel. Die Vorwürfe, die der Text gegen Ataman erhebt, klingen stichhaltig und sind doch grundfalsch. In mehreren Texten hat Ataman im Spiegel (ja, derselbe Spiegel) über Ehrenmorde, Zwangsehen, „Clan-Kriminalität“, Schwulenfeindlichkeit im Islam und Antisemitismus unter Muslimen geschrieben.
In einem der Texte schreibt Ataman über die Fluchtgeschichte einer jungen Marokkanerin, die
zwangsverheiratet werden soll. In mehreren Artikeln hat sie über den Mord an
Hatun Sürücü geschrieben und den Prozessverlauf
dokumentiert. In einem
Interview besprach sie mit einem SPD-Politiker, was man gegen sogenannte „Ehrenmorde“ tun könnte und an welchen Stellen die Sicherheitsbehörden versagen. Und dann ist da der Bericht über zwei Mädchentreffs in Neukölln, wo elfjährige muslimische Mädchen Hip-Hop-Workshops besuchen und lernen, wie sie selbstbewusst und selbstbestimmt ihren Familien
gegenübertreten.
An anderer Stelle hat Ataman über das Martyrium sogenannter „
Import-Bräute“ aus Ostanatolien geschrieben und über einen Leitfaden der Bundesregierung, wie das Thema „
Zwangsverheiratung“ Thema im Klassenzimmer werden kann.