Nein, glaube ich nicht, jedenfalls so lange es das Bildungsbürgertum betrifft. Bildung war total kostenlos und bevorzugt konnten "Kinder" deren Eltern Arbeiter waren, studieren. So gesehen waren sie nach dem Studium auch keine Bürgerlichen, sie hatten einfach studiert und waren "Intelligenz".
Es wurde darauf geachtet das es kaum Bürgertum gab, denn es sollten ja alle gleich sein. Die paar privaten Fleischer, Bäcker, Handwerker wurden als Bürger oder besser Mittelständler betrachtet und nicht gefördert.
Die DDR-Gesellschaft läßt sich nicht in die gleichen Schichten einteilen wie die BRD.
Ich kann mir das Vorhandensein von Nazis in der DDR schlecht erklären und ich kannte auch keine. Vielleicht hat man uns bis zum Erbrechen mit den Untaten der Nazis vollgestopft, so das einige es nicht mehr hören konnten. Jede Schulklasse war in Vorbereitung der Jugendweihe in Buchenwald und mußte sich dort auch den Film über die Verbrechen anschauen. In jedem nur irgendwie passenden Unterrichtsfach wurde das dritte Reich behandelt. Ehemalige KZ-Häftlinge kamen in die Schulen und berichteten. Filmund Fernsehen behandelten das Thema.
Das es trotzdem Nazis gab kann ich mir nur so erklären das es eine Art des Aufbegehrens gegen die Gesellschaft war. Vielleicht unterstützt durch Erzählungen heimlicher Nazi-Opas und Omas. Die muß es ja hier auch gegeben haben, aber öffentlich haben die den Mund gehalten.
Aus sozialistischer Sicht ist die Bourgeoisie der Klassenfeind, also der Privateigentümer, egal ob Inhaber eines Technologie-Unternehmens (Zeiss) oder einer kleinen Dorfmetzgerei. Erstere wurde enteignet, die anderen diskriminiert, etwa dadurch, daß ihre Kinder kein Abitur machen durften oder nicht studieren konnten. Hinzu kam, daß bis auf Sachsen und Thüringen das Bürgertum traditionell nur schwach vertreten war im Land der Junker, also jenen ostelbischen Gebieten, in den die Leibeigenschaft noch über die preußischen Reformen hinaus Bestand hatte.
Die Abschaffung der Klasse der Privateigentümer hat auf der einen Seite auch zur Abschaffung von Bildungsprivilegien geführt und damit die Zugänge zu allgemeiner Bildung breit geöffnet (das ist etwas Positives). Auf der anderen Seite wurde mit der Entbürgerlichung der Gesellschaft aber auch eine Tradition des bürgerlichen Freiheitsbewußtseins (Vormärz, wozu auch Marx gehörte) gekappt, das in den ostelbischen Gebieten irgendwie nie so recht angekommen war (siehe Fontanes Stechlin). Ob der brandenburgische und pommersche Landarbeiter für den Junker oder für die LPG arbeitete machte im Sinne der bürgerlichen Freiheitsrechte erst einmal keinen großen Unterschied, wohl aber mit Blick aufs Selbstbewußtsein. Ich hätte auch lieber im Kollektiv gearbeitet, das seinen Lohn selber festsetzt, als für einen Junker, der wenn er knapp bei Kasse ist, den Lohn auch mal ausfallen lassen kann. Freiheit ist in diesen Kreisen kein Wert an sich. Wenn alles andere stimmt, nimmt man es, wie es kommt.
Auch im Westen klagen Schüler über zuviel NS-Unterricht. Als ich zur Schule ging, hörte der Geschichtsunterricht ungefähr beim 1. Weltkrieg auf. Meine Aufklärung begann mit dem WDR. Während ich Schularbeiten machte, lief im Radio eine Sendung über Auschwitz. Sie berichteten, wie Mütter mit ihren Babys auf dem Arm sich freuten, daß sie mal unter die Dusche durften. Bis dahin wußte ich nicht, wie es die Nazis gemacht hatten, nur daß sie es gemacht hatten, alles sehr abstrakt.
Es gibt da eine Fraktion, die will unbedingt den "Schlußstrich" ziehen. Das sind die Ziehväter der AfD. In Ost wie in West.