Wahlen in Deutschland

Bintje

Well-Known Member
ganz schön bunt da oben Kiel-Ost, wo vermutlich viele Wähler einen türkisch/kurdischen Migrationshintergrund haben, behaupte ich mal.
Klar erkannt. :) So ist das da, und zwar wegen teils noch immer günstiger Mieten und der seit bald 200 Jahren auf dem Ostufer ansässigen Werft, ehemals HDW/Howaldtswerke-Deutsche Werft, jetzt German Naval Yards Kiel. Schiffe werden dort noch immer gebaut, wie zu Kaisers Zeiten für die Marine.

Der Landtagswahlkreis Kiel-Ost umfasst u.a. den Stadtteil Gaarden, auch als Kieler Neukölln bekannt, und war viele Jahre quasi politischer Erbhof von Schleswig-Holsteins ehemaliger Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD). Gaarden war früher immer neben seinem angestammten Ruf als klassisches Arbeiterviertel auch im Verruf als Schmuddelviertel, sozialer Brennpunkt, ist es teils heute noch. Und mich wundert überhaupt nicht, dass in anderen, wohlhabenderen Kieler Wahlkreisen die Direktmandate an die Grünen gingen, in Gaarden aber an die CDU. Die ja immer noch hartnäckig behauptet, einen sozialen Touch zu haben. Frau Papo hat das offenbar glaubhafter rübergebracht als ihre Haupt-Konkurrentin von der SPD. Und Papos Parteifreund Daniel Günther lächelte so nett und spitzbübisch von seinen Wahlplakaten, dass man ihm nur Gutes zutraut.
Aber Midyatli wollten sie in Kiel-Ost vermutlich auch deshalb nicht, weil ihr ein arroganter Ruf vorauseilt; kühl sei sie, heißt es allgemein; das ist dort nicht gefragt. Die Kandidatur für den Wahlkreis selbst hatte sie gegen innerparteiliche Konkurrenz nur knapp ergattert; das darf man auch nicht vergessen.
Und dass die Grünen in Kiel-Ost knapp hinter der SPD mit 19,5 % punkteten, dürften sie meiner Einschätzung nach auch Studierenden zu verdanken haben: Wenn die sich in Kiel mit Erst- oder Hauptwohnsitz anmelden, kriegen sie von der eigentlich bettelarmen Stadt 100 Euro Begrüßungsgeld. :)

Die Stadt müht sich seit langem, das abgeschedderte Image von Gaarden so aufzumotzen wie das von Mettenhof, einem anderen Kieler Brennpunkt mit großen sozialen Problemen. Sie tun da wirklich einiges. Es ändert aber nichts daran, dass die Segregation zwischen reichen und armen Stadtteilen in Kiel höher ist als in vielen anderen Städten vergleichbarer Größe. Hier mal so'n paar Einblicke: Gaarden ganz schön, Gaarden etwas schäbiger (euphemistisch als "Germany's Istanbul" betitelt), und Gaarden aus dem Blickwinkel von Kieler Studierenden.




ps Wem die eine oder andere städtebauliche Scheußlichkeit ins Auge sticht: Kiel war mal richtig schön, wirklich! Wurde aber im letzten Weltkrieg als Marinestützpunkt und der kriegswichtigen Werft halber dermaßen zerbombt, dass davon nicht mehr viel übrig geblieben ist - abgesehen von der unschlagbaren Lage an der Kieler Förde. Und übrigens, nicht dass man glaubt, das seitdem eher gesichtslose Kiel hätte gar keine Geschichte:
Unter Zar Peter III., einem gebürtigen Kieler namens Herzog Carl Peter Ulrich von Holstein-Gottorf, wurde Russland Mitte des 18. Jahrhunderts ein halbes Jahr lang vom Kieler Schloss aus regiert. Kaum zu glauben, aber wahr: Deswegen gibt es in Kiel sogar einen Zarenverein.
 

Bintje

Well-Known Member
... das gehört im Norden dazu. Erst recht in Kiel, dessen morbiden Charme mit zahllosen Leerständen in der Fußgängerzone des Stadtzentrums (hier nicht zu sehen) man sonst gar nicht richtig würdigen könnte. Man würde glatt glauben, in einer hellen Landeshauptstadt gelandet zu sein. Dabei gibt's in Schleswig-Holstein nur eine wirklich hinreißende Stadt, mit der Kiel gar nicht konkurrieren kann: Lübeck, die Perle der Hanse! :D :p
 

EnRetard

Well-Known Member
Es ändert aber nichts daran, dass die Segregation zwischen reichen und armen Stadtteilen in Kiel höher ist als in vielen anderen Städten vergleichbarer Größe.

In NRW sind fast alle Städte übel segregiert. Größe egal. Dortmund und Essen sind wahrscheinlich die schlimmsten Fälle, aber auch eine Nummer kleiner ist böse. Am krassesten sind aber kleine Industriestädte wie Neheim-Hüsten (Arnsberg) oder Iserlohn.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
NRW nach dem Erdrutsch in S-H wird so ähnlich kommen. CDU 35+; SPD 20, Grüne 20+, FDP 8-10, AFD auch draußen. kann reichen für Schwarzgelb, sonst schwarz-grün. Kutschaty ist zu blass. Ja, klar, Gebauer (Schule, FDP) ist gruselig, aber Prien (Schule, CDU in S-H) noch schlimmer
Ich glaube nicht , dass in NRW die Nummer des Triumphators läuft. Soweit ich gelesen habe, liegen Wüst und Kutschaty gleich auf.

Aber den hier fand ich gut. :)

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