AW: Istanbul, bütün hislerim hepsi sende
...und weiter geht es mit Tag 2...
Als nächstes besuchten wir die Hagia Sophia. Hier mussten wir 20 Lira Eintritt bezahlen, was ich allerdings absolut ok finde. Wie man im Inneren sofort sieht, wird das Gebäude aufwendig restauriert. Was eine Menge Geld verschlingt.
Der Besuch der Hagia Sophia hat mich noch nachhaltiger beeindruckt, als der Besuch der Sultanahmet Moschee. Es war unglaublich, dieses Zusammenspiel von Islam und Christentum zu erleben. Als die Türken dieses ehemals christliche Gotteshaus 1453 für sich vereinnahmten, haben sie freundlicherweise die Fresken nicht komplett zerstört, sondern größtenteils einfach überputzt bzw. übermalt. Diese wurden zum Teil wieder freigelegt und so findet man die Mutter Maria und den Erzengel Gabriel direkt neben islamischen Schriftzeichen und Symbolen. Wenn es einen Ort des Friedens zwischen unseren Völkern gibt, dann stelle ich ihn mir so vor wie hier. Auch wenn der geschichtliche Hintergrund das gewiss nicht wiedergibt.
Das Gebäude ist riesengroß, vor allem hoch. Und es ist sehr kalt dort drin, im Sommer also bestimmt angenehm.
Auch hier hielten wir uns sehr lange auf, wanderten auf und ab zwischen den gigantischen Säulen und auf der gewaltigen Balustrade. Schweigen und genießen ist alles, was man hier tun muss. Die Seele öffnet sich dabei von ganz alleine.
Als wir ins Freie traten, waren wir ersteinmal geblendet. Die düstere, klosterähnliche Atmosphäre in der Hagia Sophia wurde erst richtig bewusst, als wir wieder Tageslicht sahen. Vorher hing unser Blick ja an tausend Feinheiten, die das Haus ausmachen.
Wir schlenderten noch ein wenig durch die Altstadt bis zur Universität und sprachen über die Eindrücke, die sich bei uns festgesetzt hatten. Es war inzwischen später Nachmittag und wir hatten großen Hunger. Bei der Suche nach etwas Nahrhaftem sollte ich an diesem Tag zum ersten Mal Bekanntschaft mit den Gemeinheiten der türkischen Sprache machen. Und das kam so:
Da wir keine Lust hatten, uns jedesmal beim Studieren der Speisekarten vor den diversen Restaurants von den Kellnern vollquatschen zu lassen, hatten wir uns ein bestimmtes System überlegt. Wir warfen im Vorbeigehen einen unauffälligen Blick auf die Karten und suchten gezielt nach Sis Kebap. Das war sozusagen unsere Währung. Wenn der Preis stimmte, blieben wir stehen und überblickten auch den Rest des Angebotes. Wenn nicht, gingen wir einfach weiter. Wir zogen also los und verglichen fleißig Sis Kebap. Vor einem Restaurant entdeckten wir einen annehmbaren Preis und auch die Karte sah recht vielfältig aus. Wir blieben also stehen und widmeten ihr größere Aufmerksamkeit. Sehr zur Zufriedenheit von Tisch-abwisch-Askim
lol
, der uns dabei nicht aus den Augen ließ. Plötzlich stutze ich und starrte entsetzt auf die Karte. Das konnte doch nicht sein. Ich schaute noch einmal. Doch, da stand es. Kein Zweifel. Während ich schon im Handy fieberhaft nach der Rufnummer vom Internationalen Tierschutzbund kramte, lief Desi neben mir das Wasser im Mund zusammen. Warum blieb sie bloß so gelassen? Hatte sie es nicht gesehen? Irgendwie fiel ihr dann aber doch auf, dass etwas nicht stimmte und sie fragte mich, was los sei.
„Desi…ich ess hier nix. Die haben Biber auf der Karte!“ zischte ich mit grenzenloser Empörung.
„Äh, ja ich weiß. Na und?“
„Desi, ich bitte dich. Das können die doch nicht machen. Davon stand nichts im Reiseführer!“
Desi schaute mich verblüfft an.
„Kedi…Biber ist das türkische Wort für Pfeffer. Es handelt sich hier also lediglich um ein gut gewürztes Stück Fleisch und nicht um den gleichnamigen Plüschbruder aus der Zahnpastawerbung. Aber wenn es dich beruhigt, können wir natürlich auch noch woanders schauen.“
Und ob ich beruhigt war. Und wir schauten noch woanders. Das Sis Kebap war doch ein bisschen zu teuer. :redface:
Nach einem politisch korrekten Abendessen hatte sich der Himmel wieder etwas aufgeklart. Es war zwar noch immer recht kühl, aber wir beschlossen, einen größeren Spaziergang zu unternehmen. An der Uferstraße längs gelangten wir zum Eingang des Gülhane Parki mit seinem Teegarten, unterhalb des Topkapi Palast. Einfach wunderschön. Sehr viele Einheimische kommen hierher. Junge Pärchen spazierten in diskretem Abstand nebeneinander her und flirteten, so weit gestattet. Familien mit kleinen Kindern, erholungsbedürftige Arbeiter, in Bücher versunkene Studenten. Und dazwischen ein paar wenige Touristen, so wie wir. Es war ein buntes und lebendiges Bild. Man konnte sich einfach auf eine Bank setzen und das Treiben beobachten, dabei die Gedanken fließen lassen. Als Gartenliebhaberin war ich schwer beeindruckt von den wundervollen, gepflegten Beeten. Noch nie habe ich solche Tulpen gesehen, die in geradezu verschwenderischer Vielfalt zwischen den grünen Wiesen und riesigen Bäumen blühten. Es gab sie in allen Farben, die man sich nur denken kann. Und sie strotzten stolz dem Seewind. Später zuhause habe ich meiner Mutter von daumendicken Stengeln berichtet und Blüten, die im Durchmesser einer Untertasse glichen. Sowas findet man hier definitiv nicht, das muss am Klima liegen. Wir ließen den Abend also entspannt ausklingen.